Konzert: Chris Imler
Grandseigneur des Undergrounds (taz) und Chefstyler der Subkultur (Tagesspiegel). Bekannt als Chris Imler und mit Peaches oder Die Türen. Imler sagt Ja zur fröhlichen Zumutung und kommt mit seiner Aura, die zwischen ewigem Straßenjungen und dubiosem Magier changiert, nach Mülheim an der Ruhr. Einlass 19 Uhr, Eintritt 12 Euro. „The Internet will break my heart“, Chris Imler's jüngstes, am 28.02.2025 bei Fun in the church/ Moli Del Tro erscheinendes neues Album markiert künstlerisch die bisher steilste Etappe. Wir sehen einen Mann, dessen Gesamtwerk ein Spätwerk ist, auf schwindelerregender Höhe seines Games. „So so, das Internet, das ist ja ein ganz brandheißes Thema“ höre ich es schon hier und da blasiert in den Logen zischeln. Was ist aber ästhetisch adäquate Umgang für diese digitale Neufassung der Fortschrittsfrustration? Können das noch die alten kalten Klänge trotziger Anverwandlung an die Entfremdung sein? In der Ansage zur exklusiven Session, die Imler für den innovativen Londoner Sender NTS einspielte, stellte der Moderator ihn in eine Reihe mit Kraftwerk, DAF und NEU! Das ist nicht ganz falsch. Aber es ist doch allenfalls die halbe Wahrheit. Das wird vor allem bei seinen Live-Shows klar. Sie sind bis zu einem gewissen Grad öffentliche Proben. Skizzen, die er auf seinen langen und zahlreichen Reisen auf seinem Laptop anfertigt, werden am selben Abend auf der Bühne ausprobiert, versehen mit ad hoc-zusammengeschusterten Texten und einer Schlagzeugarbeit, die er selbst als „schlampig-emotional“ bezeichnet. Seine Performance ist bewusst chaotisch, impulsiv, bei aller Kreuzberger Straßen-Toughness herzlich. Und obwohl Imler – auch bei seinen gelegentlichen Trompeteneinlagen – nie direkte Jazzbezüge hat, kann man bei ihm mit eben so viel Recht an die widerborstigen Keckheit Thelonious Monks oder die angriffslustige Dynamik Ornette Colemans denken, wie an jene oben genannten Vertreter teutonischer Robotik. "The Internet will break my heart" LIVE!Konzert: Chris Imler
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Doch in Wahrheit ist das Thema von lästiger Aktualität. Denn erst jetzt entfaltet das world wide web sein gesamtes enttäuschendes Potential. Alle Wunschträume von einer emanzipatorischen Wirkmacht der digitalen Multitude (wisst ihr noch, Negri/Hardt, haha) sind so restlos ausgeträumt, wie der arabische Frühling vom pränuklearen Winter verschluckt. Während sie in autoritären Staaten von oben gedeckelt werden, dienen Soziale Medien in der sogenannten freien Welt vor allem dem Lumpenkapital zur Zersetzung humanistischer Standards, den Resten der Linken zur selbstzerstörerischen Polarisierung. Aber die niedlichen Tiervideos! Auch sie haben ihre Schattenseite, die Imler im Titelsong zur Sprache bringt: „Die Tiere in der echten Welt stehen unter Druck“.
Sicher ist: Den improvisatorischen Charme seiner Konzerte kann man nicht eins zu eins auf Platte bringen. Vielleicht gelingt es diesem Album aber erstmals, mit anderen Mitteln dieselbe Erlebnisintensität zu erreichen.
(Jens Friebe)
präsentiert von Bretford, Fun In The Church und Moli Del Tro
Makroscope (Mülheim)
Friedrich-Ebert-Strasse 48
45468 Mülheim
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Das Makroscope ist ein neues soziales Zentrum in Mülheim, das sich dem interdisziplinären sowie experimentellen Umgang mit Kunst und Technik widmet.
Das Zentrum wird von dem gemeinnützigen Verein Makroscope e.V. betrieben. Der Verein unterstützt innovativ, experimentell und interdisziplinär arbeitende KünstlerInnen in ihrer Arbeit sowie ihrer Weiterentwicklung und fördert den Dialog zwischen Kunst und Technik.
Neben dem Museum für Fotokopie haben hier unter anderem das SHINY TOYS Festival und das Label Ana Ott ihr Hauptquartier. Es finden wechselnde Ausstellungen und Workshops statt – außerdem eine Konzertreihe für abseitige Musik und eine kultur- und gesellschaftskritische Veranstaltungsreihe.
Auditive, visuelle und audiovisuelle Kunst wird in Bezug zur Geschichte ihrer eigenen technischen Entwicklung gesetzt, so gerät das Verhältnis von Analogem und Digitalem in eine neuartige Synthese. Die analogen Exponate reaktualisieren sich in der experimentellen Anordnung zwischen physischen Objekten und modernen digitalen Hard- und Softwareeinheiten zu hybriden Medien. Sie werden durch ihre Verschaltung mit digitaler Bild- und Tonsoftware zu neuen Objekten transformiert, an denen am Ende nicht mehr bestimmt werden kann, ob sie der einen oder anderen Welt zuzurechnen sind.